
Im April 1945 waren die US-Streitkräfte auch im Wohnort meiner Großeltern im Altenburger Land einmarschiert. Vorausgegangen waren vereinzelte Rückzugsgefechte mit versprengten deutschen Truppen, durch die auch in dem kleinen Dorf Gefallene zu beklagen waren.
Die Zivilbevölkerung wurde durch amerikanische Tiefflieger gejagt. Direkt neben dem Haus meiner Großeltern wurde eine junge Frau von einem Jagdflieger erschossen. Sie war mit dem Kinderwagen auf der Dorfstraße unterwegs und konnte nicht schnell genug in Deckung gehen. Die Einschüsse der MG-Salven sind heute noch im Dachstuhl des Hauses sichtbar. Mein Vater, der täglich mit dem Fahrrad zum Gymnasium in die Kreisstadt fuhr, musste beim leisesten Ton eines Flugzeugmotors im Straßengraben in Deckung gehen.
Unter der amerikanischen Besatzung buk mein Großvater, der Dorfbäcker, für die Amerikaner Brot und Kuchen. Er soll damit großen Anklang gefunden haben. Durch die Vorräte, die die Amerikaner überreichlich heranschafften, besserte sich auch die Versorgung der Dorfbewohner mit Backwaren.
Mein Vater, damals 15 Jahre alt, war einer der sehr wenigen, die englisch in der Schule lernten. Diese Kenntnisse konnte er als Dolmetscher zwischen US-Soldaten und Einheimischen einsetzen. Bis an sein Lebensende profitierte er von diesen Englischstunden und konnte bei Reisen durch die USA gut mit dem amerikanischen Akzent umgehen.
Im Juli 1945 zogen die amerikanischen Streitkräfte ab und übergaben Thüringen an die Rote Armee. Eine kurze Episode war beendet. Die nationalsozialistische wurde durch die sowjetsozialistische Diktatur ersetzt.